Der Fremde von Albert Camus

Dies ist eine kurze Geschichte von einem Franzosen in Algerien, der, von der Hitze verwirrt, zufällig einen Araber erschiesst. Dadurch will Camus seine Sicht des Lebens vermitteln: Leben oder Tod, Arbeit, Liebe, Zuhälterei oder Mord – alles ist belanglos, absurd.

Das ist ihm sehr gut gelungen!

Ein paar Zitate zur Veranschaulichung:

Abends hat Marie mich abgeholt und hat mich gefragt, ob ich sie heiraten wollte. Ich habe gesagt, das wäre mir egal, und wir könnten es tun, wenn sie es wollte. Sie hat dann wissen wollen ob ich sie liebte. Ich habe geantwortet wie schon einmal, dass das nichts heißen wollte, dass ich sie aber zweifellos nicht liebte. “Warum willst du mich dann heiraten?”, hat sie gesagt. Ich habe ihre erklärt, dass das völlig belanglos wäre und dass wir, wenn sie es wünschte, heiraten könnten. Im übrigen wäre sie es, die fragte, und ich würde lediglich ja sagen. Sie hat dann zu bedenken gegeben, dass die Ehe eine ernste Sache wäre. Ich habe “Nein” geantwortet. Sie hat eine Weile geschwiegen und mich stumm angesehen. Dann hat sie geredet. Sie wollte nur wissen, ob ich den gleichen Vorschlag auch von einer anderen Frau angenommen hätte, mit der ich auf die gleiche Weise verbunden wäre. Ich habe “natürlich” gesagt. Da hat sie sich gefragt ob sie mich liebte, und ich konnte dazu nichts sagen. Nach einem weiteren Moment des Schweigens hat sie gemurmelt, dass ich seltsam wäre, dass sie mich wahrscheinlich deswegen liebte, dass ich ihr aber vielleicht eines Tages aus ebendiesen Gründen zuwider sein würde.

Seite 57

(Die Priester redet mit Meursault im Gefängnis, bevor er hingerichtet werden soll) Er wollte noch weiter über Gott sprechen, aber ich bin auf ihn zugetreten und habe versucht, ein letztes Mal zu erklären, dass mir wenig Zeit bliebe. Ich wollte sie nicht mit Gott verlieren.

Seite 156

Was scherte mich der Tod der anderen, die Liebe einer Mutter, was scherte mich sein Gott, die Leben, die man wählt, die Bestimmungen, die man erwählt, da eine einzige Bestimmung mich erwählen sollte, mich und mit mir Milliarden von Privilegierten, die sich, wie er, meine Brüder nannten. Begriffe er denn nicht? Alle Welt wäre privilegiert. Es gäbe nur Privilegierte. Auch die anderen würden eines Tages verurteilt. Auch er würde verurteilt. Was machte es, wenn er, des Mordes angeklagt, hingerichtet würde, weil er bei der Beerdigung seiner Mutter nicht geweint hätte? Salamanos Hund wäre genauso viel wert wie dessen Frau. Die kleine Roboterfrau wäre genauso schuldig wie die Pariserin, die Masson geheiratet hatte, oder wie Marie, die gerne wollte, dass ich sie heiratete. Was machte es, das Raymond genauso mein Freund wäre wie Céleste, der mehr taugte als er? Was machte es, dass Marie heute ihren Mund einem neuen Meursault darböte? Begriffe er denn nicht, dieser Verurteilte, und dass aus der Tiefe meiner Zukunft … Ich erstickte während ich all das herausschrie.

Seite 157-8

Die Philosophie des Absurden bezieht sich auf den Konflikt zwischen der menschlichen Neigung, eine Erklärung und einen Sinn des Lebens zu suchen, und der menschlichen Unfähigkeit, irgendwelche Bedeutung zu finden.

Um nach dem Sinn in einer sinnlosen Welt zu suchen, haben die Menschen, nach Camus, drei Möglichkeiten, das Dilemma zu lösen:

  1. Selbstmord (oder “Flucht vor der Existenz”): eine Lösung, bei der eine Person das eigene Leben beendet. Camus verwirft diese Option, denn anstatt der Absurdität entgegenzuwirken, wird vielmehr die Existenz nur noch absurder. Man vergibt sich die positiven Seiten des Lebens.
  2. Religiöser, spiritueller oder abstrakter Glauben an ein transzendentes Reich, Wesen oder Idee: eine Lösung, in der man an die Existenz einer Realität glaubt, die über dem Absurden steht, und als solche eine Bedeutung hat. Camus betrachtet diese Lösung als “philosophischen Suizid”. Man flieht vor der Realität. Camus verwirft also auch diese Option.
  3. Die Annahme des Absurden: eine Lösung, in der man das Absurde akzeptiert und weiterhin trotzdem damit lebt ohne Resignation.

Wenn es tatsächlich ein transzendentes Wesen gibt, das über dem Absurdem steht und sich offenbaren will, macht es Sinn, dieses Wesen ernst zu nehmen.

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