Wie denkt man eigentlich, wenn man ‘hebräisch’ denkt?

Dr. Wolfgang J. Bittner erklärt, was es bedeutet, ‘hebräisch’ zu denken – in Geschichten statt durch Begriffe. Hier ein Auszug aus seiner These.

‘Wir sind bei einem der wesentlichen Aspekte dessen, was man hebräisches Denken, hebräische Wirklichkeitsauffassung nennen kann. Über einen Begriff kann ich nachdenken. Das hebräische Denken ist interessiert an den Vorgängen, die man betrachten kann. Im Musical Anatevka, das auf die jiddische Dichtung von Tewje dem Milchmann (Scholem Alejchem) zurück geht, taucht der Begriff Liebe auf.

Die Tochter, die das neue Denken kennen lernt, bringt ihn nach Hause. Tewje ist verwirrt, da er mit dem Begriff nichts verbindet. Er geht zu seiner Frau und fragt sie: Sag, liebst du mich? Auch seine Frau ist verwirrt. Und nun macht sie genau das, was das hebräische Denken auszeichnet. Sie beginnt nicht zu diskutieren. Sie fragt nach den Vorgängen, die mit Liebe verbunden sind: Ich koche ihm das Essen, ich wasche ihm die Wäsche, ich besorge ihm dem Haushalt, ihm habe ihm die Kinder geboren … Lauter Vorgänge sind es, von denen sie zu erzählen weiss. Und dann fragt sie: „Ist das Liebe?“

Für uns heisst das: Nimm die Begriffe und erzähle die Geschichten, die hinter den Begriffen stehen. Wenn du von Hoffnung sprichst, dann erzähle die Geschichte, wo und wie du geglaubt, gewusst und mit Hoffnung gewartet hast. Und wenn du von Vergebung sprichst, dann erzähle es, wie und wo und wem du vergeben hast bzw. dir selbst vergeben worden ist. Erzähle … Wenn du nichts zu erzählen hast, wenn du die Vorgänge nicht schaust, dann hast du nicht verstanden, was die Begriffe meinen.’

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