Was Jesus lehrte
Was im Allgemeinen gilt, das gilt für Jesus im Besonderen. Man kann Lehre und Leben nicht voneinander trennen. Haltung und Handlung sind zwei Seiten derselben Medaille. Jesus selbst bekräftigt immer wieder: Glaube zeigt sich im Tun. Deshalb ist die ultimative Pointe seiner Botschaft auch nicht eine Doktrin, sondern eine Aktion: Erst der Gang ans Kreuz, dann die Auferstehung.
Die Jesus Ethik gibt es nicht ohne die Hilfe von Gott – und die Verwirklichung der Bergpredigt nicht ohne die Unterstützung durch den Heiligen Geist.
Ist Jesus nun Pazifist oder nicht?
Gott liebt, und deshalb dürfen wir ihn und einander lieben, jetzt und für immer.
- Sei kein Idiot! Jesus appelliert an den Realitätssinn
Jesus war kein Esoteriker, kein Träumer, kein Heile-Welt-Verkünder. Er schwärmte nicht von einem Miteinander der unterschiedlichen Religionen. Er schwadronierte nicht über das Gute, das man auch im Kult um Jupiter, Isis, Mithras, Kybele finden könnte. Er nannte die Gebete der Anhänger nicht-jüdischer Religionen «sinnfreies Geplapper».
Bereitet euch darauf vor, dass euer Vertrag mit dieser Welt irgendwann ausläuft und in der nächsten Welt nur das zählt, was ihr aus Liebe und für die Liebe getan habt.
Spender haben mehr vom Leben als Raffer (money-grubbers); mehr Freunde, mehr innere Befriedigung, oft sogar mehr Erfolg.
- Das Reich Gottes: Die wahren Machtverhältnisse
«Strebt zuallererst nach dem Reich Gottes.»
Die «Königsherrschaft Gottes» bedeutete, dass nicht mehr der Kaiser Tiberius das Sagen haben würde, sondern JHWH selbst.
Das Reich Gottes ist auf Wachstum angelegt und deshalb zunächst kaum sichtbar.
- Menschensohn: Jesus über sich selbst
Anders als die römischen Kaiser, die sich als «Gottessöhne» bezeichnen, betont Jesus gleichzeitig seine Solidarität mit den Menschen. Er macht damit auch für die Zukunft klar: Er ist nicht einfach vom Himmel herabgestiegen. Er trägt das Erbgut der ersten Menschen in sich. Aber er ist kein blosser Nachkomme, sondern mehr. Er ist der vollkommene Alpha-Mensch zu Adams unvollkommener Beta-Version. Jesus ist der Mensch, wie er sein soll: ruhend in seiner Verbundenheit mit Gott, den anderen Menschen liebevoll zugewandt.
Jesus verfolgt einen subversiven Plan.
Der Allmächtige wählt freiwillig die Ohnmacht und die Anonymität.
Die sieben «Ich-bin-Aussagen» von Jesus. Er bezeichnet sich als:
- «Brot des Lebens»
- «Licht der Welt»
- «Tür» zum ewigen Leben
- «Weinstock»
- «Weg, Wahrheit und das Leben»
- «Auferstehung und das Leben»
- «Der gute Hirte».
Jesus hat eine reine Weste.
Er reklamiert für sich göttliche Autorität.
«Ich aber sage euch…»
Ich bin die personifizierte Weisheit.
- Abba: Jesus und der Weg zum Vater
Jesus stellt seine Gottessohnschaft nicht ins Zentrum seiner Verkündigung. Er hat eine andere Priorität: den Menschen erklären, wie Gott wirklich ist und wie man sich ihm nähern kann.
Wer «Dein Wille geschehe» betet, sagt Gott damit nicht nur «Tu, was du willst», sondern «Tu mit mir, was du willst. Ich stehe zu deiner Verfügung».
«Wer mich sieht, der sieht den Vater.»
Die Zeiten, in denen der Zugang zu Gott streng reguliert werden musste, sind vorbei. Gott ist ganz nahe und unmittelbar ansprechbar.
Der Weg zum Höchsten ist frei – aber nur für diejenigen, die sich nicht vor ihm verbarrikadieren.
- Die Agape-Ökonomie: Geben ist lukrativer als Nehmen
In der Agape-Ökonomie geht Gott in Vorleistung. Er hat uns ins Leben gerufen und will uns ewiges Leben schenken. Weil Gott unseren Vorteil im Blick hat, müssen wir uns nicht darum kümmern. Wir sind frei, unsere Energie an andere zu verschenken. Jesus ermutigt seine Jünger, sich von Alltagssorgen freizumachen: «Nur Menschen, die Gott nicht kennen, lassen sich von solchen Dingen bestimmen. Euer Vater im Himmel weiss doch genau, was ihr braucht.»
«Weil Gott mir gegeben hat, deshalb gebe ich dir.»
Nicht nur das Geben, auch das Vergeben wird in der Agape-Ökonomie zur Selbstverständlichkeit.
Von Dienern wurde damals erwartet, dass sie das Verhalten ihrer Herren nachahmten.
Zu den theologischen Dauerbrennern gehört die Frage, wie praktikabel die ethischen Leitlinien sind, die Jesus zieht. Kann man mit der Bergpredigt, in der viele der neuen Prinzipien zusammengefasst sind, Politik machen?
- Schätze im Himmel: Was wirklich zählt
Am Ende bleibt nur das, was man verschenkt hat.
Ich bin allerdings der Ansicht, dass beides – die Beschreibung einer ganz auf Güte aufgebauten Wirklichkeit und das Versprechen einer Belohnung – sich nicht gegenseitig ausschliesst.
Mit diesen Illustrationen unterstreicht Jesus den unendlich hohen Wert, den die Zugehörigkeit zum Reich Gottes hat.
Wir müssen uns den Platz an der Seite Gottes nicht verdienen. Den Preis hat Jesus selbst bezahlt.
- Abgerechnet wird zum Schluss: Jesus redet vom
Ein Gott, der sich ausrechnen lässt, ist keiner.
Ob sich die Schuhe der Jünger auch alle Christen des 21. Jahrhunderts anziehen müssen, ist nicht immer eindeutig.
Jesus geht ganz offensichtlich davon aus, dass es so etwas gibt wie eine ewige Verlorenheit… Jesus erzählt auch von einem Weltgericht, bei dem er selbst als Richter auftritt. Die Menschen werden in zwei Gruppen unterteilt, eine rechts, eine links. Die rechts Stehenden (die sich für die «Geringsten» eingesetzt haben) werden in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen, die anderen «der ewigen Strafe aus geliefert».
Almosen + Bekenntnis = Himmelszutritt? So einfach ist es auch wieder nicht.
Jakobus schreibt: «Glaube, der nicht auch gute Werke hervorbringt, ist gar keiner.»
- Neue Geburt, neues Denken: Jenseits: Wie man ins Reich Gottes kommt
Metanoia. Der vollständige Satz lautet auf Deutsch: «Tut Busse und glaubt an die frohe Botschaft.» So steht es zumindest in vielen Bibelübersetzungen. Aber nicht in der Bibel.
Das griechische Wort «Metanoia» kann übersetzt werden mit «neu denken», «den Sinn ändern oder «eine innere Transformation vollziehen».
Der Akzent liegt jedenfalls auf Neuausrichtung, nicht auf Altlastenmanagement.
Wohin sollen die Menschen sich künftig ausrichten?
Die Glaubensentscheidung ist der aktive, eigenständige Part des Menschen, der gleichzeitig in der Neugeburt eine passive, empfangende Rolle einnimmt.
Gott lädt ein. Der Mensch antwortet und richtet sich auf Gott aus. Neues Leben ist entstanden.
So ist Gott. So sehr liebt er die Menschen. Und so wenig müssen sie leisten, um sich von Ihm in die Arme schliessen zu lassen. Nur das Eine: das Anerkennen der eigenen hoffnungslosen Lage und der daraus folgenden Erlösungsbedürftigkeit.
«Nikodemos»: Seine unentschlossene Reaktion auf die Jesus-Botschaft ist typisch für den tragischen Zwiespalt, in dem viele Siegertypen stecken. Sie sind darauf konditioniert, auf der Leiter des Erfolgs immer höher zu klettern, und erkennen nicht, dass sie in falscher Richtung unterwegs sind.
Demut und Verzichtbereitschaft sind die Grundvoraussetzungen, um zu Gott zu kommen.
Habenichtse sind eher zu einem Neuanfang mit Gott bereit als Arrivierte.
- Welt verkehrt: Warum Hinten das neue Vorne ist
Nicht der Zorn über ihre Verfehlungen, sondern die Liebe zu ihnen hat Jesus auf die Erde gebracht.
Das Reich Gottes ist noch nicht vollendet. Es bricht an und wird erst am Ende der Weltzeit bzw. am Ende der Lebenszeit jedes Gottesnachfolgers voll realisiert sein.
Ins Reich Gottes kommt man besser mit leichtem Gepäck.
Man kann sich Gott nicht wie einem Geschäftspartner nähern. Man kann sich seine Güte nicht verdienen. Man kann sich wie der verlorene Sohn nur in seine Arme werfen.
Glaube ist der Autoritätstransfer vom «Ich» zu Gott.
Er will uns befreien von allem, was uns daran hindert, unsere wahre Persönlichkeit in der gelingenden Gemeinschaft mit Gott und anderen Menschen zu entdecken.
Darin liegt eine der grössten Zumutungen, die Jesus im Predigtrepertoire hat: die Ausweitung der Liebeszone auf alle Gesellschaftsschichten, alle Nationalitäten, auf Freunde und auf Feinde.
- Universaler, radikaler, bedingungsloser: Ausweitung der Liebeszone
Offensives Wohlwollen statt defensivem Fehlervermeiden.
Was Jesus von den Pharisäern und vielen anderen frommen Juden unterschied, war nicht, dass er die Nächstenliebe für zentral hielt, sondern, dass er sie ganz anders interpretierte. Universal, nicht partikular.
Das Verhalten des Priesters und des Tempeldieners anderen Menschen gegenüber ist folgenlos geblieben. Sie lassen den sterbenden Mann liegen.
Jesus verfolgt mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter offenbar zwei didaktische Ziele:
- Jeder Notleidende, egal zu welcher Sozialschicht oder Volksgruppe er gehört, verpflichtet uns zur Nächstenliebe
- Ein barmherziger Samariter ist zweifellos der Tora und dem Wohlgefallen Gottes näher als ein selbstbezogener Jude.
Schluss mit «Auge für Auge». Damit gibt Jesus bis heute Rätsel auf. Was meint er mit diesem Aufruf zum Verzicht auf Widerstand? Bedingungslose Unterwürfigkeit? Pazifismus um jeden Preis? Man kann die Vorschläge von Jesus auch so interpretieren, dass sie zu einer Beschämung des Angreifers bzw. Ausbeuters führen.
Einen Aufruf zur pauschalen Gewaltlosigkeit sucht man in der hebräischen Bibel vergebens.
Der Aufruf zur Feindesliebe ist ein Appell dazu, im Gegner das von Gott geliebte Geschöpf zu sehen.
Der Gedanke geht der Tat voraus wie der Blitz dem Donner, und deshalb ruft Jesus zu einer inneren Transformation auf.
Deshalb ist es falsch, einen Gegensatz zwischen einer neutestamentlichen «Liebesethik» und einer alttestamentlichen «Gehorsamsethik» zu konstruieren. Jesus sagt nichts, was nicht bereits an der einen oder anderen Stelle im Alten Testament angeklungen wäre. Die Lehre von Jesus ist eine Zuspitzung, Intensivierung und Ausweitung der Kernbotschaft des Alten Testaments – nämlich die von der treuen Liebe Gottes.
- Die Glücksformel: Das Ich im Wir finden
Glück ist Beziehungssache. Man ist nie mehr bei sich als in der liebevollen Gemeinschaft mit Gott und Menschen. Der Himmel, das sind die geliebten Anderen.
«Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch», führt Jesus weiter aus. «Deshalb lautet mein Gebot: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.»
Du darfst lieben.
Das Glück, das Jesus verspricht, gibt es in diesem Leben in Ansätzen – und im nächsten Leben vollkommen.
- Frohbotschaft oder Drohbotschaft?
Was ist mit dem Sündenfall? Der Erlösung von der Verdammnis? Ist Jesus nicht dafür in die Welt gekommen? Stimmt. Aber Jesus redet auffallend selten davon.
Jesus richtet diese Worte, wie die gesamte Bergpredigt, an seine Jünger. Überhaupt redet Jesus vorzugsweise im vertrauten Jüngerkreis über das Thema «jenseitige Vergeltung».
Jesus verzichtet auf Angstmacherei und Schocktherapie.
Das Reich Gottes gründet sich nicht auf Einschüchterung und auf Machtdurchsetzung, sondern auf Freiwilligkeit und Güte. Man kann zwar Menschen zu einer Lebensveränderung bringen, indem man ihnen die höllischen Folterinstrumente zeigt, aber wer seinen Glauben auf die Furcht davor gründet, wird nie zu echter Gottesliebe finden und sie schon gar nicht an andere weitergeben. Glaube, der aus Angst resultiert, bleibt steril. Jesus sieht seine vorrangige Aufgabe darin, uns in die offenen Arme des Vaters zu führen, nicht, uns vom Teufel wegzulotsen.
Fragen zur Diskussion
1. (8) Metanoia = Neuausrichtung, nicht Altlastmanagement.
2. (9) Jesus will, dass wir unsere wahre Persönlichkeit entdecken.
3. (12) Glaube, der aus Angst resultiert, bleibt steril. Jesus sieht seine vorrangige Aufgabe darin, uns in die offenen Arme des Vaters zu führen, nicht, uns vom Teufel wegzulotsen