Obwohl als Kroat (= katholisch) erzogen, scheint Andric tiefe Einsicht in die verschiedenen ververmischten Kulturen östliches Bosnien zu haben. Und sie sind sehr speziell! Die meisten Bosnier sind “Türken” (= Muslime), aber es gibt betrachtliche Zahlen von Kroaten (= kath.), Serben (= orthodox), Juden (spanisch-sprechend!) und Zigeunern. Die meisten leben unbekümmert, ohne Ehrgeiz, ziemlich fatalistisch und eher religiös, und sind abgeneigt gegen Veränderungen und neue Entwicklungen.
Interessanterweise sieht die Gottesfurcht ähnlich aus bei Serben, “Türken” und anderen: sie haben Ehrfurcht und Achtung vor dem Schöpfer/Gesetzgeber, und verwenden eine ähnliche Sprache, sogar wenn sie miteinander über Gott reden. Aber religiöse Rituale (unterschiedlich zwischen den verschiedenen Gruppen) sind sehr wichtig. Und für uns unverständlich. Die “Türken” lieben es, im Hörbereich des Muezzin zu leben, und finden das Kreuz und die Kirchenglocken einen Gräuel.
Die Österreichische (= kath.) Annektierung führte neuezeitliche Ideen und systematische Strukturen und Regeln ein, mit denen die Einheimischen sehr grosse Probleme hatten. Die sich bekriegenden Ungläubigen (= Christen!) während dem ersten Weltkrieg können die “Türken” überhaupt nicht begreifen: eine tragische Erbe!
Sehr gut geschrieben, Andric erfasst die Leben und Ereignisse vieler einzelnen Menschen und interkultureller Begegnungen. Würdig des Nobelpreises!