Games, von Patrick Oberholzer ist ein krasses Buch – krass in seinem übergrossen Format, krass in seiner dramatischen Gestaltung und besonders krass in seiner Botschaft. Es ist auch ein sehr lehrreiches Buch, das uns im gemütlichen Westeuropa auf die traumatischen Lebens- und Fluchterfahrungen vieler Afghanen aufmerksam machen sollte.
“Games, so nennt man die Versuche, über eine Grenze zu kommen. Nicht im Sinne eines Spiels, aber im Sinn von »sein Schicksal testen«. Man kann ein Game gewinnen, aber auch verlieren” – ein Zitat eines der fünf Geflüchteten, deren Geschichten hier im Detail geschildert werden.
Ein paar Seiten über die Geschichte Afghanistans und die aktuelle politische Situation helfen den Lesern, sich zu orientieren. Dann geht es ins Detail mit den einzelnen Fluchtgeschichten: Hamid aus der der Nähe von Kabul, Muhammed aus Kunduz, Ziya aus Daikondi im Westen, Afsaneh, die schon in Iran lebte, sowie Nima.
Schritt für Schritt, trotz Hunger, bitterer Kälte, Betrug, Razzien und Schiessereien, suchen sie ihren Weg durch die Berge, auf langen Treks, über Flüsse. Hier und da bleiben sie versteckt, unerwünscht, und warten auf den nächsten Schlepper. Manchmal können sie in ärmlichen Zimmern übernachten und irgendwelche Arbeiten verrichten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Im Buch werden ihre Routen vollständig grafisch mit Textboxen und Sprechblasen dargestellt.
Alle haben ihre Herkunft, ihre Familie, die sie verlassen oder unterwegs verlieren. Sie alle zahlen grosse Geldsummen auf virtuelle Konten ein, die per Telefonanruf verwaltet werden. Die Schlepper erhalten nur eine Teilzahlung, wenn bestätigt wird, dass der Flüchtling ein Zwischenziel erreicht hat.
Sie reisen jahrelang – über den Iran, die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Serbien, Kroatien. Ein Satz – “Drei Boote von unseren sechs schafften es” – spricht Bände.
Endlich in Deutschland oder der Schweiz angekommen, beginnt der mühsame Prozess des Asylantrags, des Sprachenlernens, der Arbeitssuche. Und die finanziellen Schulden, die verlorenen Familien, die unerfüllten Lebensvorstellungen bleiben vorerst bestehen.
Das Buch »Games« ist ein Meisterwerk, das die Realitäten der Flucht afghanischer Menschen ohne Polemik darstellt. Es verdient eine breite Leserschaft.