Wahl oder Zwang?

Das Ende des Kapitalismus, von Ulrike Herrmann

Wer hätte unter einem so trockenen Titel eine spannende Geschichte erwartet? Herrmann beginnt in romanhafter Manier mit der dramatischen historischen Entwicklung der industriellen Revolution in England. Wachstum führte zu Wohlstand. Ein Segen, den andere Nationen – vor allem Deutschland und die USA – zu kopieren versuchten. Was dann aber unweigerlich zum heutigen Kapitalismus führte – ein System, in dem die westliche Welt derzeit gefangen ist.

Heute haben wir mit den unangenehmen Folgen dieses Systems zu kämpfen. Vor allem damit, dass es auf der Notwendigkeit eines kontinuierlichen Wachstums beruht, was in einer endlichen Welt schlicht unmöglich ist. Energie! Immer mehr Energie wird verlangt! Handel: Riesige Mengen an Rohstoffen und Fertigprodukten reisen durch die Welt. Abfälle stapeln sich in Bergen, Plastik füllt die Ozeane. Und Abgase – hauptsächlich CO₂ – verursachen einen rasanten, unaufhaltsamen Klimawandel. Bewohner des globalen Südens fliehen vor ihrer Armut und den verheerenden Unwetterschäden.

Ulrike Herrmann

Die Autorin analysiert mehrere von Befürwortern des “Grünen Wachstums” vorgeschlagen Lösungen: Atomenergie, Solar- und Windkraft, grünes Kerosin, Energiespeicher, “Entkopplung”, Digitalisierung. Alle verwirft sie als untauglich, wobei ihre Argumente nicht überall überzeugend wirken.

Ulrike Herrmanns Lösung

“Grünes Schrumpfen”, “Share Economy”, “Postwachstumsgesellscahft”.

Sämtliche Flughäfen wären zu schliessen… Auch das Privatauto hat keine grosse Zukunft. Stattdessen würden Busse und Bahnen viel häufiger verkehren… Auch viele Dienstleistungen entfallen, wenn die Wirtschaft schrumpft. So wäre es überflüssig, für Waren zu werben, wenn Güter sowieso knapp sind und garantiert Käufer finden. PR-Agenturen, Messelogistiker und Werbegrafiker hätten nichts mehr zu tun. Auch wäre unklar, wie sich Zeitungen oder Google noch finanzieren sollen, wenn die Anzeigen ausbleiben…

Wenn Industriebetriebe, Banken und Versicherungen zusammenbrechen, verlieren auch Aktien und Ersparnisse ihren Wert. Vom der Börse bliebe wenig übrig.

ibid. S. 210-211 ff

Ihre Schlussfolgerung: Die unvermeidliche “Überlebensökonomie” wäre eine Kreislaufwirtschaft, in der nur noch so viel produziert wird, wie sich recyceln lässt. Sie müsste auf Verzicht basiert werden. Und das bedingt auch von der Regierung erlassene Verbote.

In jedem Fall wird der Kapitalismus untergehen und eine neue Wirtschaftsordnung entstehen. Sie liesse sich wohl am besten als “Überlebenswirtschaft” bezeichnen, denn es geht um die Rettung der Menschheit.

ibid. S. 257

Herrmann sucht einen Weg, diese Veränderungen umzusetzen, in Grossbritannien zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Die Regierung bestimmte was produziert werden sollte und stellte die notwendigen Ressourcen zur Verfügung. Die Unternehmen blieben jedoch privat verwaltet und wählten selber ihre Methoden, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen.

Wie könnte eine solche Lösung in einer demokratischen Welt friedlich realisiert werden? Dazu hat die Autorin leider wenige konkrete Vorschläge.

Zusammenfassende Notizen von Viktor

Die Menschheit kann nur friedlich überleben, wenn die Klimaziele erreicht werden. Das Klima kann aber nur gerettet werden, wenn die reichen Länder sehr viel weniger CO₂ ausstossen. Eine grüne Ökonomie verlangt wirtschaftliches Schrumpfen. Das erfordert ein Ende des Kapitalismus und den Verzicht auf das Fliegen, viel weniger Autofahren, viel weniger Fleisch essen, keine neuen Häuser mehr bauen,…

Das Ziel ist eine Recycling-Wirtschaft (Kreislaufwirtschaft), wo viele Sachen geteilt oder repariert werden, und altes wird renoviert. Banken, Versicherungen und grosse Teile der jetzigen Industrie werden überflüssig. Neue Umwelttechnologien entstehen. Wir haben alle mehr Zeit für Beziehungen und gesunde Aktivitäten. Alle werden gleich behandelt; dies hält die Gesellschaft zusammen. Dies kann aber nur erreicht werden, wenn Regierungen Energie, Güter usw. rationieren und die Produktion steuern.

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